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E:ROBICS – Spekulative Geräte

Digitale Technologien sind heute allgegenwärtig und beinahe unsichtbar in unseren Alltag eingewoben. Die E:ROBICS Geräte, aus Holz gefertigten, nicht-funktionalen „Hightech“-Geräten – eröffnen ein ungewöhnliches Fenster auf unsere Beziehung zu den Medien und Werkzeugen, die uns umgeben. Die hier vorgestellten Objekte – von hölzernen Smartphones über VR-Brillen bis hin zu Smartwatches – erinnern zunächst an klassische Konsumartikel. Doch durch ihre bewusste „Funktionslosigkeit“ stellen sie die grundsätzliche Frage, worin der Wert und die Bedeutung digitaler Technik für uns wirklich besteht.

Philosophisch knüpft das Projekt an Überlegungen an, die bereits bei Martin Heidegger oder Hannah Arendt zu finden sind: Technik ist nie nur Werkzeug, sondern formt unseren Blick auf die Welt. Durch das bewusste Weglassen jeglicher Funktion entsteht ein Reflexionsraum: Wir werden uns des gewohnten „Gestells“ (Heidegger) bewusst und erfahren das Gerät neu – als haptisches, sinnliches Objekt, das uns ermöglicht, unsere eigene Gewohnheitshaltung zu hinterfragen. Hier wird auch das Prinzip der kritischen Gestaltung (Critical Design) deutlich: Die Holzgeräte sind als provozierende Artefakte gedacht, die uns anregen, zentrale Fragen zum Umgang mit digitalen Medien zu stellen. Wie abhängig sind wir von ständiger Konnektivität? Welche Rolle spielt der Tastsinn, die Sinnlichkeit, im Moment des „Swipens“? Und wie lässt sich inmitten all dieser Reize ein bewusster, menschenzentrierter Umgang mit Technologie kultivieren?

Ähnlich wie in der Performancekunst (etwa bei Yoko Ono oder Marina Abramović) wird das Publikum bzw. die Benutzerin eingeladen, die Objekte in Aktion zu erleben. Die User*innen „bespielen“ die Geräte, und in dieser Handlung entsteht eine spielerische Irritation. Sie kann schließlich in eine tiefere Auseinandersetzung über Technologie, Natur, Konsumverhalten und den eigenen Lebensstil münden.

E:PHONE

E:PHONE ONE

Das E:PHONE I erinnert in seiner Grundform an ein Smartphone. Die klare, minimalistische Form und die vertrauten Proportionen täuschen jedoch: Das Holzgerät verfügt über keinerlei Elektronik und bleibt vollkommen still. Wo wir sonst ständige Benachrichtigungen und Apps erwarten, begegnen wir einem angenehmen, handschmeichelnden Objekt aus Holz.
Gerade dadurch verweist das E:PHONE auf die Widersprüchlichkeit unseres digitalen Zeitalters. Es lädt uns ein, die Fallstricke übermäßiger Bildschirmzeit zu überdenken und zu reflektieren, wie sehr die Grenze zwischen Online- und Offline-Welt verschwimmt. Dadurch, dass das E:PHONE „nichts kann“, zeigt es uns, was uns alles abverlangt wird, wenn unsere echten Smartphones „alles können“ – und wie wohltuend Momente der Ruhe und Selbstbeobachtung sein können.

E:PHONE ONE

SMART:MINIMAL | SCROLLING


Als Weiterentwicklung des minimalistischen E:PHONE I besitzt das E:PHONE II einen austauschbaren Kern, der mit verschiedenen Modulen bestückt werden kann. Neben dem vertrauten Holzdisplay lassen sich zum Beispiel ein lebendes Moos-Display oder ein Papier-Display einsetzen.

Moos-Display Modul: Ein lebendiges Bett aus Moos, das gepflegt werden muss (Feuchtigkeit, Sonnenlicht, Nährstoffe). Das lebendige Moos ist Handschmeichler und zugleich Erinnerung daran, womit wir die Interaktion mit unseren Smartphones gleichsetzen.

Papier-Display Modul: Ein mehrfach gefaltetes Skizzenpapier dient hier als Grundlage für handschriftliche Notizen und Zeichnungen. Die rein praktische Funktion als Notiz – oder Skizzenblock verdeutlicht hier die oft ambivalente, bzw unnötige Nutzung des Smartphone als Gerät für Alles und eröffnet die Reflektion, ob es das wirklich braucht.

Das E:PHONE III zeichnet sich durch seinen Durchsicht Kern aus. Diese Sondervariante reflektiert, wie wir unsere Umwelt durch Kameralinsen und Displays wahrnehmen. Die einfache Acrylscheibe ermöglicht, das wir mit beiden Augen in gewohnter Dreidimensionalität hindurchschauen. Dies unterscheidet sich erheblich von der zweidimensionalen Darstellung der Welt durch Kameralinse und digitalem Display.

E:PHONE III – lookthru display – hands on

E:PHONE III – lookthru display

FITTER:BIT DELUXE

FITTER:BIT

In einer Welt, in der Smartwatches unsere Schritte zählen und uns ständig mit Daten füttern, hinterfragt der FITTER:BIT, welchen Preis wir für diese Form der Selbstoptimierung zahlen. Das minimalistische Holz-Design mit neonfarbenem Baumwollarmband wirkt vertraut – doch das Gerät selbst ist absolut funktionslos.

FITTER:BIT I: Ein geschlossenes Holzgehäuse, das keine Daten erfasst, speichert oder anzeigt. Mit seiner klaren Ästhetik stellt es die Frage, ob wir wirklich jede Sekunde messen und optimieren müssen.

FITTER:BIT II: Eine Variante mit austauschbarem Kern – ähnlich dem E:PHONE II können hier Module eingesetzt werden (Moos, Papierblock etc.). Dadurch kann die eigentliche Idee, dass eine Smartwatch ständig Kontrolle und Zeiterfassung bedeutet, durchbrochen werden – für eine durchaus praktische oder sensorisch wohltuende, entschleunigte Tätigkeit.

FITTER:BIT – notepad edition – exchangeable paper inset – changing

FITTER:BIT – notepad edition – exchangeable paper inset

FITTER:BIT – SYMBIOTIC EDITION

wie Fitterbit, aber mit echtem Moos. – alles aus nicht verrottbaren Acryl

FITTER:BIT – symbiotic edition – basic elements

FITTER:BIT – symbiotic edition – IRL

FITTER:BIT – symbiotic edition

FITTER:BIT – symbiotic edition – side view with moss inlay

E:EXTENSION

E:STICK – E:PHONE extension for selfie exercises

E:UI BASIC SET

E:BTN – attachable simple button

E:BTN – attachable simple button – pressed

Knöpfe, Schieberegler und Schalter strukturieren digitale Benutzeroberflächen. Wir klicken und „sliden“ in der digitalen Welt oft ohne bewußt darüber nachzudenken. Das E:UI BASIC SET besteht aus einfachen Nachbauten diese Interaktionselemente aus simplem Holz. Mit Klett- oder Magnetverbindungen lassen sie sich auf beliebigen Oberflächen anbringen, wodurch unweigerlich kommuniziert wird, „irgendetwas“ zu steuern. Doch auch hier: Keine Funktion.

Gerade in dieser Diskrepanz zeigt sich der Reiz. Die Aktionen werden zu einer Performance des Gewohnten, die uns daran erinnert, welche Macht scheinbar harmlose Interface-Designs über unsere Abläufe haben. Gleichzeitig öffnen sich spielerische Freiräume: Wie viele Möglichkeiten ergeben sich, wenn ein Button an der Kühlschranktür, am Schreibtisch oder an der Wand befestigt wird – was steuern wir damit? Welche Form der Kontrolle haben wir überhaupt über derartige Schnittstellen?

E:SLIDE – attachable simple slider – sliding

E:SLIDE – attachable simple slider

E:XR BASIC SET

Die Tech-Branche wirbt damit, unsere Realität mit digitalen Inhalten zu überlagern, neue Erlebniswelten zu erschaffen und uns tiefer denn je in virtuelle Räume zu entführen. Das hölzerne E:XR-Headset hingegen setzt genau hier an – indem es unsere Sicht auf die Realität spielerisch verzerrt, jedoch rein gar nichts daran ändert.

E:XR – fullsight goggles – frontal

caption id=“attachment_8065″ align=“alignnone“ width=“1751″] E:XR – nodepth goggles – frontal[/caption]

E:XR – nosight goggles – frontal

Das Headset schränkt unsere räumliche Tiefen- und Dimensionswahrnehmung durch eine sehr einfache Lochmatrix ein. Man versteht schnell: „Was ich sehe, ist eben nicht die unveränderte Realität.“ Damit wird die gewohnte selbstverständliche Seherfahrung auf den Kopf gestellt und zugleich ein Anlass geschaffen, die „gewohnte“ Realität neu erfahren zu können – nicht zuletzt durch die Erwartungshaltung, die an übliche VR Erfahrungen geknüpft sind. Zugleich stellt die Arbeit klar, dass selbst die beste VR-Technologie nicht alle Dimensionen des körperlichen Daseins – Geruch, Wärme, Wind, körperliche Berührung – replizieren kann. Dieses Gerät wird somit zum meditativen Gegenentwurf: eine Einladung, unser** analoges, körperlich-sinnliches Erleben** nicht aus den Augen zu verlieren.

E:PAD BASIC CONTROLLER

E:PAD BASIC – basic game controller – hands on

E:PAD BASIC – basic game controller

Achtsamkeit

Indem wir Geräte, die uns üblicherweise völlig vereinnahmen, auf ihre hölzerne Essenz reduzieren, entsteht eine neue Art der Achtsamkeit. Diese Achtsamkeit kann – so die Vision – in weitere Lebensbereiche ausstrahlen und einen bewussteren, menschenzentrierteren Umgang mit digitalen Tools fördern. Zugleich macht das Projekt deutlich, dass echte Innovation oft darin liegt, was wir weglassen, um für etwas anderes – wie Naturverbundenheit oder kreativen Ausdruck – Platz zu schaffen.

Design sollte nicht nur Probleme lösen, sondern auch Probleme aufzeigen, die uns sonst gar nicht erst auffallen würden.

– Angelehnt an Anthony Dunne & Fiona Raby

Die Arbeit öffnet damit das Fenster zu einer Zukunft, in der wir nicht nur blind dem nächsten Technologietrend folgen, sondern bewusst unsere Ziele und Werte definieren.

Baupläne, DIY

DIY Lasercut SVG Dateien aller Geräte fuer KOFFER I

Recherche

Technische Funktionslosigkeit als kritische Geste
Der bewusste Verzicht auf technische Funktion ist in der Theorie des Spekulativen Designs (vgl. Dunne & Raby, Speculative Everything, 2013) ein zentrales Stilmittel: Indem man ein ansonsten vertrautes Objekt seiner gewohnten Funktion beraubt, rückt dessen gesellschaftliche Bedeutung und kulturelle Verankerung ins Blickfeld. Die ironische Brechung – „Es sieht aus wie ein normales Gadget, kann aber nichts“ – erinnert uns daran, wie selbstverständlich wir heute auf Konnektivität und permanente Nutzbarkeit vertrauen.

Quellenhinweis:

Dunne, A. & Raby, F. (2013). Speculative Everything: Design, Fiction, and Social Dreaming. MIT Press.
Malpass, M. (2017). Critical Design in Context. Bloomsbury.

Philosophische Verortung: Heidegger, Turkle und der Umgang mit Technik
In seiner berühmten Abhandlung „Die Frage nach der Technik“ beschreibt Martin Heidegger Technik nicht bloß als neutrales Werkzeug, sondern als ein „Gestell“, das unsere Wahrnehmung und unser Denken prägt (Heidegger 1954). Das „hölzerne Smartphone“ kann als bewusstes „Ent-Gestellen“ verstanden werden: Indem es lediglich die Form, nicht aber die Funktion digitaler Geräte übernimmt, wird der Nutzer bzw. die Nutzerin auf die dahinterliegenden Mechanismen unserer technisch geprägten Welt aufmerksam gemacht.

Auch Sherry Turkle (Alone Together, 2011) betont, wie sehr uns permanente Konnektivität von uns selbst und unserer unmittelbaren Umwelt entfremden kann. Der hölzerne Prototyp funktioniert hier als Gegenmittel, indem er zwar die altbekannte Hülle der Technik beibehält, jedoch Momente der Stille und Selbstreflexion ermöglicht – ein Anstoß zur bewussten Auseinandersetzung mit der eigenen Digitalpraxis.

Quellenhinweis:

Heidegger, M. (1954). Die Frage nach der Technik.
Turkle, S. (2011). Alone Together: Why We Expect More from Technology and Less from Each Other. Basic Books.

Körper, Interaktion und Performance
Die Idee, Gesten wie „Wischen“, „Drücken“ oder „Tippen“ in eine Art körperorientiertes „Übungsprogramm“ zu übertragen, erinnert an die Konzepte von „Embodied Interaction“ (vgl. Paul Dourish, Where the Action Is, 2001) und an künstlerische Experimente der Fluxus-Bewegung (Nam June Paik, Yoko Ono u.a.). Das bewusste Nachinszenieren von als selbstverständlich erachteten Handlungsweisen kann den Blick auf automatisierte Verhaltensmuster im digitalen Alltag schärfen.

Quellenhinweis:

Dourish, P. (2001). Where the Action Is: The Foundations of Embodied Interaction. MIT Press.
Goldberg, R. (2011). Performance Art: From Futurism to the Present. Thames & Hudson.

E:UI BASIC SET und die Macht der Interfaces
Die hölzernen Buttons, Slider und Schalter machen deutlich, wie stark unsere (digitalen) Interfaces mittlerweile als „Übersetzungsleistung“ zwischen Mensch und Welt wirken (vgl. Donald Norman, The Design of Everyday Things, 1988). Indem du diese Schaltelemente in ihrer physischen Form isolierst, entziehst du ihnen die digitale Kontextualisierung – was deren Wirkmacht und unsere automatisierten Reaktionen darauf entlarvt.

Gerade Spekulatives Design dient oft dazu, diese „versteckte Agenda“ von Interface-Design offenzulegen. In der Tradition von Critical Design (Dunne & Raby) kann ein Button ohne Funktion ein diskursives Werkzeug sein, das die Frage aufwirft: „Warum klicken wir eigentlich ständig, ohne das zu hinterfragen?“

Quellenhinweis:

Norman, D. (1988). The Design of Everyday Things. Basic Books.
Dunne, A. & Raby, F. (2001). Design Noir: The Secret Life of Electronic Objects. August/Birkhäuser.


zuletzt geändert: 2025-01