Das Tableau im Dialog mit KI → Die inszenierte generative Fotografie
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| 2025-12
Vom Antidot zur Kollaboration: Das Tableau im Dialog mit KI
Das rasante Aufkommen einer Flut massenhaft generierter, oft austauschbarer Bilder – pointiert als „AI-Slop“ bezeichnet – stellt die zeitgenössische Kunst und das zeitgenössische Design vor die Notwendigkeit, ihren inhärenten Werte und ihre kritischen Funktionen neu zu verhandeln. Diese Krise des Bildwerts erfordert keine technologische Verweigerung, sondern eine hyperbewusste, listige Aneignung der eigenen Tradition. Als ein zentrales Arsenal für diesen Diskurs dient die Inszenierte Fotografie (Staged Photography), die in direkter Linie vom cinematographischen Tableau herleitet. Ihre aktuelle Relevanz liegt jedoch nicht in einer simplen Gegenüberstellung, sondern in ihrem Potenzial, einen essentiellen Dialog mit der generativen KI zu initiieren – einen Dialog, der beide Seiten transformiert.
Komplexität versus Beschleunigung: Das Tableau in der Aufmerksamkeitsökonomie
Das Tableau steht für eine totale, konzeptuelle Kontrolle über Komposition, Licht und Narrativ. Es verlangt sowohl in seiner Entstehung – der bewussten Setzung von Bedeutungsebenen – als auch in seiner Rezeption eine kritische Tiefe und Verlangsamung. Diese Haltung widerspricht fundamental der Logik der algorithmisch getriebenen Aufmerksamkeitsökonomie, die auf sofortige Belohnung und emotionale Trigger setzt, wie Jonathan Crary in „24/7“ analysiert. Wo das „scrollende Auge“ nach Instant Gratification strebt, fordert das Tableau ein „betrachtendes Auge“ und Zeit zur Entschlüsselung. Diese Marginalisierung des Komplexen in der Populärkultur – einst in Barockaltären zur nonverbalen Vermittlung theologischer Dichte eingesetzt – macht das Tableau heute zu einem bewussten Akt des Widerstands gegen eine Ökonomie, die serielle, schnell konsumierbare Inhalte gegenüber aufwendigen Einzelwerken favorisiert.
Jenseits des Strohmanns: Vom AI-Slop zur kritischen KI-Praxis
Die pauschale Abwehr einer vermeintlich uniformen „KI-Ästhetik“ greift jedoch zu kurz. Sie verkennt, dass es neben dem generischen „Slop“ eine vitale, kritische künstlerische Praxis mit generativen Systemen gibt. Künstler wie Mario Klingemann oder Sofia Crespo nutzen die Eigenlogik des Algorithmus – seine Brüche, Halluzinationen und das Uncanny Valley – bewusst als ästhetisches Material, um nicht-menschliche Bildwelten zu erforschen. Das eigentliche Problem ist somit nicht die Technologie, sondern der Mangel an konzeptuellem Rahmen und kritischer Intention. In dieser Lücke gewinnt das Denken in Tableaus eine neue strategische Bedeutung: nicht als stilistisches Retro-Modell, sondern als disziplinierende Grammatik der Bedeutungsproduktion.
Konzeptionelle Strategien: Semantische Dichte und präzise Irritation
Die heutige Kreation von Tableaus, selbst unter Einbeziehung KI-generierter Elemente, zielt auf eine semantische Dichte, die sich vom bloßen Spektakel abhebt. Diese Dichte entsteht durch handwerkliche Souveränität, die klassische Kompositionsprinzipien als Basis nutzt, um sie gezielt zu stören. Es ist die Strategie des präzisen Setups und der dazugehörigen Irritation: Ein konkretes, symbolisch aufgeladenes Setting – ein identifizierbarer Olivenbaum, kein generischer – wird durch einen kontextuellen Kontrast oder einen Materialbruch destabilisiert. Diese Methode erfordert ein ausgeprägtes Referenzbewusstsein, das in Dialog mit der Kunstgeschichte tritt, wie in den Arbeiten von Peter Greenaway oder Gregory Crewdson, um das Ausgesparte oder den blinden Fleck der Repräsentation sichtbar zu machen.
Doch dieses Modell der totalen Kontrolle steht in einem fundamentalen Widerspruch zur generativen KI, die aus einem kollektiven latenten Raum schöpft und sich der vollständigen intentionalen Führung entzieht. Die eigentliche künstlerische Herausforderung liegt daher nicht in der Verteidigung der Kontrolle, sondern in ihrer intelligenten Öffnung.
Vom kontrollierten Tableau zur kollaborativen Emergenz
Statt das Tableau als Bollwerk zu begreifen, muss sein konzeptueller Kern – Narrativ, Symbolschichtung, Referenz – in eine fruchtbare Spannung mit dem generativen Potenzial der KI gebracht werden. Die neue Praxis operiert im Dazwischen. Sie nutzt KI nicht nur als Werkzeug zur Visualisierung eines vorab fixierten Bildes, sondern als konzeptuellen Provokateur: KI kann jene störenden, unerwarteten Elemente generieren, die eine präzise inszenierte Fotografie radikal infrage stellen. Ein Künstler wie Grayson Perry wiederum, der in seinen Tapisserien und Keramiken stets soziale Narrative mit handwerklicher Präzision bricht, verkörpert jene Haltung, die auch für den KI-Dialog essentiell ist: die Fähigkeit, tradierte Formen mit subversivem Inhalt zu füllen und zugänglich zu machen.
In diesem Paradigmenwechsel verschiebt sich die künstlerische Souveränität von der alleinigen Kontrolle der Ausführung zur Kuration des Prozesses, in der Entwicklung eigener Workflows und der skizzenhaften Steuerung von Bild und Textmodellen. Sie zeigt sich in der Schärfe der Fragestellung, der kritischen Auswahl und Kombination generierter und nicht-generierter Elemente und im Bewusstsein für den eigenen wie den algorithmischen Bias. Da nun fast jedes visuelle Ergebnis mit geringem Budget generierbar ist, wird dieser konzeptuelle und kulturelle Horizont zur eigentlichen „gläsernen Decke“ – und zum entscheidenden Material.
Unverzichtbare Aneignung: Tableau-Denken als kritische Grammatik
Die konzentrierte Auseinandersetzung mit dem Tableau im Zeitalter der generativen KI ist daher aus mehreren Gründen interessant; Sie stellt erstens eine Form der ästhetischen Forschung und notwendigen Aneignung dar, um das technologische Terrain nicht allein ökonomischen oder manipulativen Interessen zu überlassen, sondern es kritisch-künstlerisch zu besetzen. Zweitens ermöglicht sie die Erschließung neuer Ausdrucksformen, indem ein präzise konzipiertes Tableau als Schlüsselbild für generative Video-Sequenzen dient und so die Lücke zwischen statischem und dynamischem Bild auf konzeptueller Ebene schließt.
Letztlich fungiert das Tableau-Denken als eine unverzichtbare kritische Grammatik in der generativen Bilderflut. Es bietet das Rüstzeug, um nicht nur die uniforme Glätte des „AI-Slop“, sondern auch die eigenen, oft elitären oder kitschigen Fallstricke des inszenierten Bildes zu unterminieren. Die größte Provokation liegt heute in der kollaborativen Emergenz, die entsteht, wenn die disziplinierte Tiefe des Tableaus auf die assoziative Eigenlogik der KI trifft. In dieser produktiven Reibung wird eine neue Souveränität verhandelt – eine, die sich durch reflexive Dialogfähigkeit auszeichnet und Bilder hervorbringt, deren kritische Dichte sich genau aus dieser Spannung speist.
Methoden der kritischen Grammatik
„Nicht lauter, sondern Tiefer!“ > inhaltliche Dichte und Tiefe der Inszenierung anstatt hohlem sakralem Multimedia Spektakel
Zeige das Unvorstellbare. Zeige das Ausgesparte. Zeige den blinden Fleck!
Hinterfrage deine eigenen kulturelle, individuelle Voreingenommenheit! Erweitere deine Perspektive!
Stereotypen brechen! Bewußtes Wahrnehmen von generierter Visualität – bewußtes Brechen von Reproduktion von Klassismus, Rassismus, …
Künstlerische Positionen
Klassische/zeitgenössische Tableau-Fotografie & Inszenierung
- Gregory Crewdson (Meister des filmischen, narrativ dichten Tableaus in Vorstadt-Settings)
- Jeff Wall (Pionier des großformatigen, inszenierten Tableaus, oft mit sozio-politischem Kommentar)
- Cindy Sherman (frühe *Untitled Film Stills* als Dekonstruktion von Tableaus und Rollenklischees)
- Alex Prager (Inszenierungen, die cineastische Ästhetik und psychologische Spannung vereinen)
- Catherine Opie (Fotografische Tableaus, die Community und Identität dokumentieren und inszenieren)
- Stan Douglas (Inszenierte fotografische Tableaus mit historisch-politischer Tiefe und Re-Enactment)
- Tatiana Lecomte (Arbeitet mit präziser Inszenierung und Archivmaterial zur Entlarvung historischer Narrative)
- Juno Calypso (Inszeniert sich selbst in hyperglatten, surrealen Umgebungen – kritische Auseinandersetzung mit Weiblichkeitsbildern)
- Gilbert & George (Die Künstler als lebende Skulpturen in streng komponierten Tableaus, Fokus auf urbane Trivialität und existenzielle Fragen)
Generative kritische Praxis & Neue Ästhetiken
- Mario Klingemann (Pionier, erforscht neuronale Ästhetik, Glitch und das „Uncanny“ in KI-generierten Bildern)
- Sofia Crespo (Arbeitet mit KI zu biologischer Morphologie und hybriden Lebensformen, Fokus auf das Nicht-Menschliche)
- Refik Anadol (Nutzt KI für immersive, datenbasierte Installationen – Fokus auf Emergenz und Latenten Raum)
- Harlan Levey (Explizit kritische, forschungsbasierte Projekte zu Bias und Repräsentation mit KI)
- Kate Crawford (Künstlerin und Forscherin, Arbeiten wie *Anatomy of an AI System* machen KI-Materialität sichtbar)
- Trevor Paglen (U.a. Projekt *ImageNet Roulette*, das Bias in Trainingsdaten entlarvt, arbeitet an der Schnittstelle von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit)
- Jon Rafman (Nutzt Found-Footage, 3D-Modelle und Google Street View, um immersive, oft beunruhigende digitale Tableaus der Gegenwart zu schaffen – *wichtige Brückenposition*)
- Helena Nikonole (Fokus auf kritische Medienkunst, erforscht die Verbindung von KI und Okkultismus sowie digitale Infrastruktur)
Positionen zwischen Inszenierung, Konzept und digitaler Intervention
- Stefanie Moshammer (Kombiniert präzise Inszenierung/Fotorecherche mit surrealen digitalen Eingriffen)
- Lorenzo Vitturi (Arbeitet skulptural-tableauhaft mit Found Objects und Fotografie, Fokus auf Materialität und Hybridität – eine Haltung, die für KI-Kollaboration relevant ist)
- Rinko Kawauchi (Ihre poetische, hochkomponierte Fotografie evoziert narrative Dichte jenseits des offensichtlichen Tableaus)
- Thomas Demand (Totale Kontrolle durch skulpturale Nachbauten, die dann fotografiert werden – ein extremes Modell von Kontrolle, das in Spannung zu KI steht)
- Grayson Perry (Seine Arbeit (Keramik, Tapisserien) ist zwar nicht primär Fotografie, aber er nutzt **ikonografische Dichte und narrative Überladung** in seinen Werken, um soziale und Klassen-Tableaus der Gegenwart zu schaffen. Seine Haltung ist ein perfektes Beispiel für die angestrebte semantische Dichte.)
- LaToya Ruby Frazier (Ihre Arbeit verbindet Dokumentation und Inszenierung in Tableaus, um das amerikanische Industrie-Erbe und soziale Ungerechtigkeit zu verhandeln – konzeptuelle Tiefe als Antidot zu Glätte.)
- Penelope Umbrico (Arbeitet mit dem Aggregationsprinzip und Found-Fotos (z.B. von Flickr), um die Ästhetik der Bilderflut zu analysieren und neu zu rahmen – kritische Aufarbeitung des „Slop“-Prinzips.)
Vom Antidot zur Kollaboration: Das Tableau im Dialog mit KI
Das rasante Aufkommen einer Flut massenhaft generierter, oft austauschbarer Bilder – pointiert als „AI-Slop“ bezeichnet – stellt die zeitgenössische Kunst und das zeitgenössische Design vor die Notwendigkeit, ihren inhärenten Werte und ihre kritischen Funktionen neu zu verhandeln. Diese Krise des Bildwerts erfordert keine technologische Verweigerung, sondern eine hyperbewusste, listige Aneignung der eigenen Tradition. Als ein zentrales Arsenal für diesen Diskurs dient die Inszenierte Fotografie (Staged Photography), die in direkter Linie vom cinematographischen Tableau herleitet. Ihre aktuelle Relevanz liegt jedoch nicht in einer simplen Gegenüberstellung, sondern in ihrem Potenzial, einen essentiellen Dialog mit der generativen KI zu initiieren – einen Dialog, der beide Seiten transformiert.
Komplexität versus Beschleunigung: Das Tableau in der Aufmerksamkeitsökonomie
Das Tableau steht für eine totale, konzeptuelle Kontrolle über Komposition, Licht und Narrativ. Es verlangt sowohl in seiner Entstehung – der bewussten Setzung von Bedeutungsebenen – als auch in seiner Rezeption eine kritische Tiefe und Verlangsamung. Diese Haltung widerspricht fundamental der Logik der algorithmisch getriebenen Aufmerksamkeitsökonomie, die auf sofortige Belohnung und emotionale Trigger setzt, wie Jonathan Crary in „24/7“ analysiert. Wo das „scrollende Auge“ nach Instant Gratification strebt, fordert das Tableau ein „betrachtendes Auge“ und Zeit zur Entschlüsselung. Diese Marginalisierung des Komplexen in der Populärkultur – einst in Barockaltären zur nonverbalen Vermittlung theologischer Dichte eingesetzt – macht das Tableau heute zu einem bewussten Akt des Widerstands gegen eine Ökonomie, die serielle, schnell konsumierbare Inhalte gegenüber aufwendigen Einzelwerken favorisiert.
Jenseits des Strohmanns: Vom AI-Slop zur kritischen KI-Praxis
Die pauschale Abwehr einer vermeintlich uniformen „KI-Ästhetik“ greift jedoch zu kurz. Sie verkennt, dass es neben dem generischen „Slop“ eine vitale, kritische künstlerische Praxis mit generativen Systemen gibt. Künstler wie Mario Klingemann oder Sofia Crespo nutzen die Eigenlogik des Algorithmus – seine Brüche, Halluzinationen und das Uncanny Valley – bewusst als ästhetisches Material, um nicht-menschliche Bildwelten zu erforschen. Das eigentliche Problem ist somit nicht die Technologie, sondern der Mangel an konzeptuellem Rahmen und kritischer Intention. In dieser Lücke gewinnt das Denken in Tableaus eine neue strategische Bedeutung: nicht als stilistisches Retro-Modell, sondern als disziplinierende Grammatik der Bedeutungsproduktion.
Konzeptionelle Strategien: Semantische Dichte und präzise Irritation
Die heutige Kreation von Tableaus, selbst unter Einbeziehung KI-generierter Elemente, zielt auf eine semantische Dichte, die sich vom bloßen Spektakel abhebt. Diese Dichte entsteht durch handwerkliche Souveränität, die klassische Kompositionsprinzipien als Basis nutzt, um sie gezielt zu stören. Es ist die Strategie des präzisen Setups und der dazugehörigen Irritation: Ein konkretes, symbolisch aufgeladenes Setting – ein identifizierbarer Olivenbaum, kein generischer – wird durch einen kontextuellen Kontrast oder einen Materialbruch destabilisiert. Diese Methode erfordert ein ausgeprägtes Referenzbewusstsein, das in Dialog mit der Kunstgeschichte tritt, wie in den Arbeiten von Peter Greenaway oder Gregory Crewdson, um das Ausgesparte oder den blinden Fleck der Repräsentation sichtbar zu machen.
Doch dieses Modell der totalen Kontrolle steht in einem fundamentalen Widerspruch zur generativen KI, die aus einem kollektiven latenten Raum schöpft und sich der vollständigen intentionalen Führung entzieht. Die eigentliche künstlerische Herausforderung liegt daher nicht in der Verteidigung der Kontrolle, sondern in ihrer intelligenten Öffnung.
Vom kontrollierten Tableau zur kollaborativen Emergenz
Statt das Tableau als Bollwerk zu begreifen, muss sein konzeptueller Kern – Narrativ, Symbolschichtung, Referenz – in eine fruchtbare Spannung mit dem generativen Potenzial der KI gebracht werden. Die neue Praxis operiert im Dazwischen. Sie nutzt KI nicht nur als Werkzeug zur Visualisierung eines vorab fixierten Bildes, sondern als konzeptuellen Provokateur: KI kann jene störenden, unerwarteten Elemente generieren, die eine präzise inszenierte Fotografie radikal infrage stellen. Ein Künstler wie Grayson Perry wiederum, der in seinen Tapisserien und Keramiken stets soziale Narrative mit handwerklicher Präzision bricht, verkörpert jene Haltung, die auch für den KI-Dialog essentiell ist: die Fähigkeit, tradierte Formen mit subversivem Inhalt zu füllen und zugänglich zu machen.
In diesem Paradigmenwechsel verschiebt sich die künstlerische Souveränität von der alleinigen Kontrolle der Ausführung zur Kuration des Prozesses, in der Entwicklung eigener Workflows und der skizzenhaften Steuerung von Bild und Textmodellen. Sie zeigt sich in der Schärfe der Fragestellung, der kritischen Auswahl und Kombination generierter und nicht-generierter Elemente und im Bewusstsein für den eigenen wie den algorithmischen Bias. Da nun fast jedes visuelle Ergebnis mit geringem Budget generierbar ist, wird dieser konzeptuelle und kulturelle Horizont zur eigentlichen „gläsernen Decke“ – und zum entscheidenden Material.
Unverzichtbare Aneignung: Tableau-Denken als kritische Grammatik
Die konzentrierte Auseinandersetzung mit dem Tableau im Zeitalter der generativen KI ist daher aus mehreren Gründen interessant; Sie stellt erstens eine Form der ästhetischen Forschung und notwendigen Aneignung dar, um das technologische Terrain nicht allein ökonomischen oder manipulativen Interessen zu überlassen, sondern es kritisch-künstlerisch zu besetzen. Zweitens ermöglicht sie die Erschließung neuer Ausdrucksformen, indem ein präzise konzipiertes Tableau als Schlüsselbild für generative Video-Sequenzen dient und so die Lücke zwischen statischem und dynamischem Bild auf konzeptueller Ebene schließt.
Letztlich fungiert das Tableau-Denken als eine unverzichtbare kritische Grammatik in der generativen Bilderflut. Es bietet das Rüstzeug, um nicht nur die uniforme Glätte des „AI-Slop“, sondern auch die eigenen, oft elitären oder kitschigen Fallstricke des inszenierten Bildes zu unterminieren. Die größte Provokation liegt heute in der kollaborativen Emergenz, die entsteht, wenn die disziplinierte Tiefe des Tableaus auf die assoziative Eigenlogik der KI trifft. In dieser produktiven Reibung wird eine neue Souveränität verhandelt – eine, die sich durch reflexive Dialogfähigkeit auszeichnet und Bilder hervorbringt, deren kritische Dichte sich genau aus dieser Spannung speist.
Methoden der kritischen Grammatik
Künstlerische Positionen
Klassische/zeitgenössische Tableau-Fotografie & Inszenierung
- Gregory Crewdson (Meister des filmischen, narrativ dichten Tableaus in Vorstadt-Settings)
- Jeff Wall (Pionier des großformatigen, inszenierten Tableaus, oft mit sozio-politischem Kommentar)
- Cindy Sherman (frühe *Untitled Film Stills* als Dekonstruktion von Tableaus und Rollenklischees)
- Alex Prager (Inszenierungen, die cineastische Ästhetik und psychologische Spannung vereinen)
- Catherine Opie (Fotografische Tableaus, die Community und Identität dokumentieren und inszenieren)
- Stan Douglas (Inszenierte fotografische Tableaus mit historisch-politischer Tiefe und Re-Enactment)
- Tatiana Lecomte (Arbeitet mit präziser Inszenierung und Archivmaterial zur Entlarvung historischer Narrative)
- Juno Calypso (Inszeniert sich selbst in hyperglatten, surrealen Umgebungen – kritische Auseinandersetzung mit Weiblichkeitsbildern)
- Gilbert & George (Die Künstler als lebende Skulpturen in streng komponierten Tableaus, Fokus auf urbane Trivialität und existenzielle Fragen)
Generative kritische Praxis & Neue Ästhetiken
- Mario Klingemann (Pionier, erforscht neuronale Ästhetik, Glitch und das „Uncanny“ in KI-generierten Bildern)
- Sofia Crespo (Arbeitet mit KI zu biologischer Morphologie und hybriden Lebensformen, Fokus auf das Nicht-Menschliche)
- Refik Anadol (Nutzt KI für immersive, datenbasierte Installationen – Fokus auf Emergenz und Latenten Raum)
- Harlan Levey (Explizit kritische, forschungsbasierte Projekte zu Bias und Repräsentation mit KI)
- Kate Crawford (Künstlerin und Forscherin, Arbeiten wie *Anatomy of an AI System* machen KI-Materialität sichtbar)
- Trevor Paglen (U.a. Projekt *ImageNet Roulette*, das Bias in Trainingsdaten entlarvt, arbeitet an der Schnittstelle von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit)
- Jon Rafman (Nutzt Found-Footage, 3D-Modelle und Google Street View, um immersive, oft beunruhigende digitale Tableaus der Gegenwart zu schaffen – *wichtige Brückenposition*)
- Helena Nikonole (Fokus auf kritische Medienkunst, erforscht die Verbindung von KI und Okkultismus sowie digitale Infrastruktur)
Positionen zwischen Inszenierung, Konzept und digitaler Intervention
- Stefanie Moshammer (Kombiniert präzise Inszenierung/Fotorecherche mit surrealen digitalen Eingriffen)
- Lorenzo Vitturi (Arbeitet skulptural-tableauhaft mit Found Objects und Fotografie, Fokus auf Materialität und Hybridität – eine Haltung, die für KI-Kollaboration relevant ist)
- Rinko Kawauchi (Ihre poetische, hochkomponierte Fotografie evoziert narrative Dichte jenseits des offensichtlichen Tableaus)
- Thomas Demand (Totale Kontrolle durch skulpturale Nachbauten, die dann fotografiert werden – ein extremes Modell von Kontrolle, das in Spannung zu KI steht)
- Grayson Perry (Seine Arbeit (Keramik, Tapisserien) ist zwar nicht primär Fotografie, aber er nutzt **ikonografische Dichte und narrative Überladung** in seinen Werken, um soziale und Klassen-Tableaus der Gegenwart zu schaffen. Seine Haltung ist ein perfektes Beispiel für die angestrebte semantische Dichte.)
- LaToya Ruby Frazier (Ihre Arbeit verbindet Dokumentation und Inszenierung in Tableaus, um das amerikanische Industrie-Erbe und soziale Ungerechtigkeit zu verhandeln – konzeptuelle Tiefe als Antidot zu Glätte.)
- Penelope Umbrico (Arbeitet mit dem Aggregationsprinzip und Found-Fotos (z.B. von Flickr), um die Ästhetik der Bilderflut zu analysieren und neu zu rahmen – kritische Aufarbeitung des „Slop“-Prinzips.)