… and all of your wishes will be destroyed!

Die Serie XITTERS dokumentiert eine fiktive Subkultur, die sich zwischen Aktivismus, Identitätssuche und experimenteller Mode bewegt. Im Zentrum stehen Menschen aller Altersgruppen und Hintergründe, die selbstgefertigte textile Sturmhauben und skulpturale Gesichtsbedeckungen tragen. Diese Masken erscheinen mal spielerisch und offen, mal engmaschig und streng, mal improvisiert aus Fundstücken, mal akribisch gearbeitet. Die ästhetische Spannweite folgt keinem rigiden Code; sie entsteht aus der subjektiven Praxis des Machens, dem wiederholten Formen, Auftrennen und Neuverknoten.

Eine Besonderheit dieser Subkultur ist die radikale Betonung der Imperfektion. Jede Masche, jede Unregelmäßigkeit, jeder zu fest oder zu lose gezogene Faden wird Teil der Identität. Die Masken sind nicht nur Objekte, sondern biografische Spuren der Hände, die sie gefertigt haben. Das Bedürfnis nach Verwandlung und Anonymisierung bildet den gemeinsamen Kern dieser Praxis. Die Hülle verdeckt das Gesicht, aber sie entblößt zugleich die Geste des Tuns – das Tragen wird zu einer Art Selbstporträt, das nicht über physiognomische Merkmale, sondern über textile Entscheidungen kommuniziert.

Die XITTERS entwickeln eine eigene, dynamische Sprache aus Farbe, Form und Muster, die sich historischer textiler Techniken bedient, aber ebenso bewusst bricht. Sie arbeiten mit klassischem Garn, doch ebenso mit ungewöhnlichen Materialien: abisolierten Kabelresten, textilen Schnittstreifen, ausgedienten Netzstoffen oder grob verflochtenen Restfasern. Die resultierenden Masken bilden ein Übergangsfeld zwischen traditionellem Handwerk und improvisierter Materialkultur. Man könnte sagen, sie bedienen sich eines offenen Archivs – der Strukturen, Texturen und Bedeutungen, die Handarbeit seit Jahrhunderten begleitet haben.

Der aktivistische Impuls dieser Subkultur entsteht aus einer Gegenbewegung zur allgegenwärtigen Kameraüberwachung und den Erwartungshaltungen digitaler Selbstdarstellung. Die textile Maske wird zum Werkzeug des kreativen Widerstands: weich statt martialisch, handgemacht statt industriell, variabel statt standardisiert. Sie schafft einen Freiraum, in dem Identität nicht fixiert, sondern performativ hergestellt werden kann. Die XITTERS verschieben damit ein politisches Thema – Überwachung, Sichtbarkeit, Deutungshoheit über das eigene Bild – in eine ästhetische Handlung, die sich im Alltag fortsetzen lässt.

Stricken und Häkeln bilden die Grundlage dieser Praxis, nicht zuletzt weil sie weltweit verfügbare, niedrigschwellige Techniken sind. Sie benötigen kaum Werkzeuge, wenig Raum und lassen sich im Gehen, im Sitzen, unterwegs oder im Gespräch ausführen. Die Handarbeit wird zu einer Form des sozialen Austauschs, eine leise, aber wirksame Alternative zur visuellen Dominanz digitaler Medien. Gleichzeitig ist diese Praxis historisch tief verwurzelt: Während des Zweiten Weltkriegs nutzten Frauen in mehreren europäischen Ländern Strickmuster, um Informationen zu verschlüsseln – etwa indem sie die Längenfolge von Maschen oder Farbwechseln als Nachrichten codierten. Der belgische Widerstand dokumentierte Fälle solcher „strickenden Spioninnen“, die Bahnbewegungen oder Truppenstandorte in Mustern festhielten und unauffällig weitergaben. Diese historische Verbindung zwischen Textilpraxis und politischer Subversion verleiht den XITTER-Masken eine unerwartete Tiefenschicht.

Im Kontext der Serie XITTERS erscheint die Masche schließlich als bewusst weiches Gegenbild zu den harten, technologischen Formen der Verhüllung – militärischen Masken, digitalen Filtern, biometrischen Systemen. Die textile Hülle verweigert sich der Logik der Kontrolle und fordert stattdessen eine andere Art von Lesen und Sehen heraus. Sie ist nie endgültig, nie abgeschlossen. Sie kann jederzeit weitergeführt, repariert, erweitert oder aufgetrennt werden. Darin liegt der eigentliche Kern dieser Subkultur: Identität wird nicht präsentiert, sondern gestrickt – Masche für Masche, als fortlaufender Dialog zwischen Körper, Material und Welt.

dried out clearing

the clearing

the clearing

dream of the clearing


da escalator cru

da escalator cru

da south cru


just imagine all the good we have

just imagine all the good we have


we run, we run

we run


drinking water


the pool


stranded

stranded


black rock

the black rock

riot

riot

RECHERCHE

Textile Masken: Seltene Traditionen und ihre heutige Bedeutung

Die vollständige Verhüllung des Gesichts durch gestrickte oder gehäkelte Masken ist kulturgeschichtlich eine Ausnahme. In den meisten Ritualtraditionen bestehen Masken aus Holz, Leder, Rinde, Metall oder fest gewebten Stoffen. Handarbeitstechniken wie Stricken oder Häkeln wurden zwar weltweit praktiziert, aber nur selten zur direkten Maskenherstellung verwendet. Dort, wo solche textilen Verhüllungen dennoch auftreten, wirken sie wie lokale Lösungen für das menschliche Bedürfnis nach Verwandlung, Anonymisierung und der temporären Auflösung individueller Identität. Die wenigen belegbaren Fälle zeigen, dass textile Masken eher an den Rändern ritueller Praktiken existieren und nicht zu den prägenden Maskentraditionen gehören.

Europa: Textile Verhüllung als Randphänomen

Im europäischen Brauchtum tauchen textile Kopf- und Gesichtsverhüllungen nur vereinzelt auf. Ein Beispiel findet sich beim sorbischen Bescherkind in der Lausitz. Die charakteristische Maske besteht traditionell aus feinem, besticktem Leinen; Varianten aus netzartigem, durchbrochenem Stoff sind dokumentiert, auch wenn sie nicht im engeren Sinne gestrickt oder gehäkelt sind. Hier dient das textile Material vor allem der leichten Durchsicht für das Kind, dessen Erscheinung geheimnisvoll und anonym bleiben soll.

Ein deutlicheres Verhältnis zum Textilen zeigt sich im Alpenraum, wo Maskenfiguren häufig mit üppigen Wollmähnen ausgestattet sind. Die Masken selbst bestehen zwar aus Holz oder Rindenbast, doch die zotteligen Kopfbedeckungen und Bärte werden mancherorts aus Wolle hergestellt, die zum Teil gehäkelt, gestrickt oder in dichte Strähnen gelegt wurde. Diese textile Ergänzung verstärkt den wilden, übernatürlichen Eindruck der Gestalten, ohne dass es sich um vollständige Gesichtsmasken aus Maschenarbeit handelt.

Beim Glöcklerlauf im Salzkammergut tragen die Läufer unter ihren leuchtenden Kopfstücken eng anliegende weiße Hauben. Diese Hauben können gestrickt oder gehäkelt sein und umschließen den Kopf vollständig, dienen aber vor allem als neutrale Grundschicht unter der kunstvollen Konstruktion. Sie anonymisieren den Träger und stellen eine einheitliche, identitätslose Erscheinung her – allerdings ohne selbst als Maske im engeren Sinn zu fungieren.

Außereuropäische textile Verhüllungen: Geflochten statt gestrickt

Außerhalb Europas sind direkt gestrickte oder gehäkelte Masken kaum nachweisbar. Eine wichtige Parallele findet sich jedoch in geflochtenen Ritualmasken. Im Südpazifik, etwa bei den Tolai in Papua-Neuguinea, bestehen die ikonischen „Duk-Duk“- und „Tumbuan“-Masken aus aufwendigen Flechtarbeiten aus Pflanzenfasern. Diese bedecken den gesamten Kopf und schaffen eine undurchdringliche, skulpturale Hülle. Obwohl es sich nicht um Maschenarbeit handelt, teilt die Flechttechnik mit dem Stricken und Häkeln das Grundprinzip: Aus flexiblen Fasern entsteht eine luftdurchlässige Struktur, die den Körper vollständig umschließt. Die Masken zeigen, wie textilartige Techniken rituelle Verwandlung ermöglichen, selbst wenn die konkrete Technik kulturell variiert.

Moderne Wiederentdeckungen: Die Masche als politisches und künstlerisches Medium

Während traditionelle textile Masken selten bleiben, ist die gestrickte oder gehäkelte Gesichtsverhüllung in der Gegenwart auffallend präsent. In der Kunst- und Aktivismusszene dient die Masche als bewusst weiches, handwerkliches Gegenbild zu martialischen oder technologischen Formen der Verhüllung. Yarn-Bombing-Aktionen verhüllen Skulpturen und städtische Objekte mit humorvollen, überdimensionierten Häkel- oder Strickhüllen. Diese Interventionen zeigen das Potenzial der Maschenarbeit, etablierte Symbole zu transformieren und Machtverhältnisse spielerisch infrage zu stellen.

Auch im Craftivism findet die textile Maske ihren Platz. Strick- und Häkeltechniken werden genutzt, um kunstvolle, zum Teil groteske Maskenformen zu erzeugen, die Themen wie Identität, Verletzlichkeit oder Anonymität neu verhandeln. In Protestkulturen tauchen handgefertigte textile Sturmhauben und Gesichtsbedeckungen auf, die funktional an klassische Balaclavas erinnern, aber bewusst den Charakter des Selbstgemachten tragen. Sie verbinden Schutz und Anonymisierung mit einem Ausdruck persönlicher Autonomie und politischer Haltung.

In Subkulturen wie Cosplay oder experimentellen Modeszenen erscheinen gehäkelte Masken schließlich als ästhetische Erweiterungen fiktiver oder futuristischer Figuren. Die Masche wird hier nicht rituell, sondern performativ genutzt: als Material, das sich jeder Form anpassen kann und gleichzeitig eine irritierende Mischung aus Weichheit und Fremdheit erzeugt.

Warum textile Techniken für Masken geeignet sind

Stricken und Häkeln sind niedrigschwellige, weltweit zugängliche Techniken. Garne sind günstig, Nadeln einfach zu beschaffen, und die Arbeit kann überall ausgeführt werden. Maschenstrukturen besitzen Eigenschaften, die sie für Verhüllungen besonders geeignet machen: Sie sind elastisch, passgenau, atmungsaktiv und können dicht oder offen gearbeitet werden. Gleichzeitig tragen sie eine kulturelle Bedeutungsschichtung in sich: Wolle steht traditionell für Wärme, Fürsorge und Häuslichkeit. Wird dieses Material jedoch zu einer vollständigen Gesichtshülle geformt, entsteht ein irritierender Bruch zwischen Vertrautheit und Fremdheit, zwischen Geborgenheit und Bedrohung.

Gerade dieses Spannungsverhältnis macht die textile Maske für zeitgenössische Kunst und Aktivismus so interessant. Sie greift eine einfache, historisch tief verwurzelte Technik auf und überführt sie in Debatten über Identität, Sichtbarkeit und gesellschaftliche Machtverhältnisse. So wird die textile Maske, trotz ihrer Seltenheit in der globalen Tradition, in der Gegenwart zu einem prägnanten Symbol – eines, das in der Lage ist, soziale Rollen zu hinterfragen und neue Formen des Ausdrucks zu eröffnen.

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Marilyn Mansons „Man That You Fear“ endet mit einem sich wiederholendem Zitat: „… and all of your wishes will be destroyed!“ – Die Zeile verweist nicht nur auf eine individuelle Enttäuschung, sondern auf einen kollektiven Zustand der Implosion von Bedeutung in einer Gesellschaft der absoluten Sättigung. Dieser Zustand wird präzise durch das philosophische Werk Jean Baudrillard beschrieben.

Baudrillards Theorie der Simulation und Hyperrealität postuliert eine postmoderne Gesellschaft, in der die unbegrenzte Verfügbarkeit von Bildern, Zeichen und Waren zu einem Kollaps ihrer referenziellen Beziehung zur Realität führt. Wir leben nicht mehr in einer Welt der Originale, sondern in einer Hyperrealität, einer Ordnung des Simulakrums, in der Zeichen nur noch auf andere Zeichen verweisen. Die ständige Befriedigung jedes denkbaren Begehrens durch einen entfesselten Überkonsum hat nicht die ersehnte Erfüllung zur Folge, sondern führt in einen Zustand der Indifferenz. In der totalen Verfügbarkeit verlieren die Dinge ihre Aura, ihren Gebrauchs- und Tauschwert und damit ihre eigentliche Bedeutung.

Konsequenterweise wird in dieser vollständig durchsimulierten und ausgeleuchteten Welt auch die Zukunft als Kategorie des Ungewissen und Möglichen obsolet. Sie wird vorweggenommen, risikofrei kalkuliert und als konsumierbares Produkt angeboten – von algorithmischen Prognosen bis zu den idealisierten Zukunftsbildern der Werbung. Ganz entgegen der persönlichen Wahrnehmung, die von Existenz- oder Versagensangst geprägt ist. Es existiert kein gesellschaftliches „Außen“ mehr, auf das sich die menschliche Fantasie, das utopische Denken oder das genuine Begehren richten könnten. Die Zukunft ist in der ewigen Gegenwart der Simulation absorbiert und damit – metaphorisch gesprochen – abgestorben.

Dieser Kollaps der bestehenden Bedeutungs- und Wertesysteme, so lähmend er zunächst ist, erzeugt jedoch ein produktives Vakuum. Die Geschichte der Kunst und Subkultur liefert zahlreiche Belege dafür, dass solche Phasen der Orientierungslosigkeit und des Niedergangs paradoxerweise die Inkubationszeit für radikal neue ästhetische und soziale Formationen sind.

Die Punkbewegung der späten 1970er Jahre entstand als direkte Reaktion auf wirtschaftliche Stagnation, soziale Perspektivlosigkeit und das Scheitern der utopischen Versprechen der 1960er Jahre. Ihre ästhetische Praxis war eine der Dekonstruktion und des „Do-it-Yourself“. Indem sie die technische Perfektion der Mainstream-Musik verweigerte, sich aus den Trümmern der urbanen Landschaft und weggeworfenen Materialien kleidete und ihre eigenen Kommunikationskanäle schuf, demonstrierte sie, wie aus dem Zustand der kulturellen Übersättigung und Leere eine neue, rohe und authentische Ausdruckskraft geboren werden kann.

Ein ebenso eindrückliches Beispiel ist die unmittelbare Nachwendezeit in Ostdeutschland. Der plötzliche Zusammenbruch des DDR-Systems und die anschließende Flut westlicher Waren und gesellschaftlichen Normen / Kolonialisierung führten zu einer tiefgreifenden Desorientierung. Doch genau in diesem Vakuum der alten Gewissheiten entstanden in leerstehenden Industriebrachen und Wohnungen – den physischen Ruinen der untergegangenen Ordnung – äußerst vitale Szenen. Die entstehende Technokultur und andere subkulturelle Bewegungen nutzten diese „ruinösen Freiräume“ als Laboratorien für die Neuerfindung von Gemeinschaft, Körperlichkeit und künstlerischem Ausdruck jenseits etablierter kommerzieller und politischer Strukturen.

„… and all of your wishes will be destroyed!“ Ist eine experimentelle, forschend ausgerichtete synthetische Photoserie

 

 

 

 

 



ritual

 

 


2:34AM


This night was cool!

 

 

 

 

 








zuletzt geändert: 2025-12