02 | 2019
PLING
Die Arbeit Pling umfasst eine Spieluhr und mehrere Lochstreifen/Klangkompositionen die von einem Algorithmus erzeugt wurden. Jede Komposition beschreibt einen Lebenszyklus von Geburt bis Tod eines künstlichen biologischen Lebens. Das individuelle Abspielen jeder Komposition übersetzt ein künstliches biologisches Leben in hörbare Form.
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The work Pling includes a music box and several perforated strips / sound compositions created by an algorithm. Each composition describes a life cycle from the birth to the death of an artificial biological life. The individual playback of each composition translates an artificial biological life into audible form.
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„Artificial Life (künstliches Leben) überlappt sich mit Künstlicher Intelligenz und wird als Subdisziplin von ihr oder auch umgekehrt als eine ihr übergeordnete Disziplin gesehen. Künstliches Leben muss KI-Erkenntnisse integrieren, da Kognition eine Kerneigenschaft von natürlichem Leben ist, nicht nur des Menschen.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Künstliches_Leben#Ethische_Fragen)
Erschaffen wir künstliche Intelligenz, so erschaffen wir im selben Moment auch künstliches Leben. Anpassungsfähigkeit, Autonomie und Selbstreproduktion sind nur einige Kriterien zur Definition von künstlichem Leben. Neben den Definitionskriterien stellt sich aus künstlerischer Perspektive eine weitere spannende Frage: Ab wann sprechen wir von etwas Lebendigem? von etwas Intelligentem? – Die Pling* Reihe geht dieser Fragestellung nach und zeigt interaktive Übersetzungen von künstlichem Leben in Audio.
Kompositionen & Künstliches Leben
Click to listen to some compositions.
The audio track is a selection of note compositions generated by artifical life. Each audio piece represents a lasercutted notesheet that can be played with a 30-note music box.
Schwaches und Starkes künstliches Leben
Wie im Bereich der künstlichen Intelligenz differenzieren wir zwischen starkem und schwachem künstlichem Leben:
Weak Alife: a system that just simulates life
Strong Alife: a system that fulfils the criteria of life
Schwaches künstliches Leben findet schon heute verschiedene Anwendungen im Zuge komplexer digitaler Kalkulationen. Umso spannender ist die künstlerische Auseinandersetzung mit diesen Algorithmen. Eine vergleichsweise einfache Manifestation von künstlichem Leben finden wir in zellulären Automaten (CA / Conways Game of Life) abstammend von Automaten-Theorie von Stanisław Marcin Ulam von 1940.
Zelluläre Automaten
Ein zellulärer Automat (CA) besteht aus einer Matrix aus Zellen, die in ihrem Verbund Zustände von Geburt, Wachstum, Blüte, Zerfall und Tod durchlaufen können. CA’s werden durch den Zustand ihrer Zellen dargestellt, der binär, also tod oder lebendig, bzw. schwarz oder weiss sein kann. Die Funktionsweise eines zellulären Automat beruht auf dem Prinzip der Evolution dieser Zellmatrix, die durch verschiedenen Regelwerke evolviert.
vom 1D CA zur Lochkarte
Zelluläre Automaten können in verschiedenen Dimensionen dargestellt werden – der eindimensionale CA kommt dabei der Logik einer Lochkarte einer Spieluhr sehr nahe. Jede Lochreihe stellt eine neue Generation dar und die binären Zellzustände können in Loch/kein Loch übersetzt werden. Das künstliche Leben kann nahezu direkt in eine Klangkomposition übersetzt werden.
Um die so generierten Anordnungen des CA für das menschlichen Ohr besser erfahrbar zu machen, ist es notwendig die Zellzustände in eine Tonskalierungen zu übersetzen, denn unser Ohr ist vornehmlich für die Wahrnehmung des Spektrum unserer Sprachfrequenz geeignet, bzw. kann Tonunterschiede mit einem bestimmten Abstand besser differenzieren als nah aneinanderliegende. Eine Notenskala bringt diese Anforderungen in ein geeignetes, bewährtes System, wie im folgenden Prototypen zu erfahren ist:
Das o.g. Video zeigt eine Kompositionsskizze von einer Reihe von CA Regelwerken und Akkordfolgen
Prägnanz
Die Menge an zeitgleich gespielten Tönen und Rhythmen im o.g. Prototypen überfordert unsere Hörgewohnheit. Daher ist es notwendig aus dieser Fülle an Informationen nur die essentiellen Elemente zu destillieren und für das Ohr aufzubereiten. Eine einfache Auslassung von Tönen würde allerdings zu einer fehlerhaften Darstellung des künstlichen Lebens führen, also braucht es eine Form von Filter um nur die essentiellen Informationen zu sonifizieren und ein repräsentatives Klangbild abzubilden. Auch hier spielt ein Mindesttonabstand in Zeit und Frequenz eine große Rolle um die Differenzierbarkeit zu erhöhen.
Klang und Emotionen
Die emotionale Wirkung von Tonfolgen und Rhythmus ist eng mit unserer kulturellen Identität und persönlichen Erfahrung verknüpft. So entstanden im Laufe unserer kulturellen Entwicklung viele Tonsysteme die sich durchaus miteinander überschneiden und beeinflussen in Logik und Klangbild. – Ausgewählte Akkorde oder Akkordfolgen können bei einigen Menschen, durchaus ähnliche emotionale Reize erzeugen – dies kann jedoch auch individuell stark abweichen. Die Pling* Reihe umfasst vorerst insgesamt drei Kompositionen in jeweils unterschiedlichen Tonleitern (Lydisch, Phrygisch und Ionisch) in C.
Jede Komposition ist ein Lebenszyklus
Jede Komposition (Lochstreifen) durchläuft einen gesamten künstlichen Lebenszyklus von Geburt, Wachstum, Blüte, Verfall und Tod und beginnt dann erneut von Anfang, da die Lochstreifen eine geschlossene Schleife bilden, die endlos durch die Spieluhr bewegt werden kann. Nach dem Vorbild unserer Natur besitzt jede lebende Zelle eine endliches Kontingent an Reproduzierbarkeit. Dieses metaphysische Alter steuert den Evolutionsprozess des CA im Verlauf.
Interaktion
Erst die Interaktion des Besuchers mit der Spieluhr und den Notenstreifen komplettiert die Installation. Der Besucher wählt einen CA Notenstreifen und spielt diesen durch das Drehen der Kurbel ab. Ein ganzer künstlicher Lebenszyklus wird damit sonifiziert.
zuletzt geändert: 2024-04